Castle Rock 2018 – Tag 2

Der zweite Tag des Castle Rock began wie üblich bereits Mittags. Es war regelrecht elendig warm bei gefühlten über 30°C. Wie auch schon am Tag zuvor hatte Michael Bohnes hier Vorkehrungen getroffen und versorgte seine Schäfchen regelmäßig über die Tage hinweg mit einer kühlen Dusche aus einem eigens dafür verlegten Wasserschlauch. Bei der Hitze des Tages und der Pyros war das auch immer wieder bitter nötig.

Musikalisch ging es so los mit Seelensturm. „Der Wecker aus Düsseldorf“, wie Sänger Oliver Bölke dem Volk mitteilte. Und dieser Wecker wirkte Wunder: zwar war es noch nicht all zu voll, doch die Anwesenden nahm der Deutschrock schon mal gut mit. Dass sich die Bands aus der Region gerne gegenseitig unterstützen zeigte sich bei Seelensturm im Duett mit Michael Thionville von Voodoma. Zwei herausragende Stimmen, die sich gegenseitig wunderbar ergänzen und dem Wecker sogar noch mehr Ausdruck gaben.

Bereits bei dieser ersten Band zeigte sich ein interessantes Tagesphänomen: da der Schlosshof mittags in der knalligen Sonne liegt, war der Bereich vor der Bühne größtenteils frei von Menschen. Nur die wirklich hartgesottenen trauten sich in die Sonne. Der weitaus größere Rest stand dicht an dicht in den schattigen Bereichen. Und als mit der Wanderung der Sonne die schattigen Bereiche in auch in die Mitte des Hofes vordrangen, kamen auch die Leute nach. Deswegen spielten die ersten Bands vor vermeintlich wenig Publikum. Das stand nämlich größtenteils im Schatten.

Als zweites konnten Another Tale dieses Schauspiel bewundern. Mit ihrem soliden Gothic Rock nahmen auch sie ihre Eigenschaft als zweiter Wecker vollkommen wahr und brachten die ersten müden Gemüter sogar dazu, sich ein wenig im Rhythmus zu bewegen. Die Band agierte gut miteinander, Sänger Cowboy animierte das müde Publikum und insgesamt legten Another Tale eine gute Show auf die Bühne.

Darin folgte ihnen auch Godex. Die Gothic Rock Band um Tommy Tom konnte sich bereits über etwas mehr Publikum freuen (und dank der voran gegangenen Wecker auch über ein etwas wacheres) und so klappte es mit dem animieren auch gleich viel besser. Es trauten sich auch einige Leute in den sonnigen Bereich direkt vor der Bühne, so dass Godex nicht vor einer gefühlten Leere spielen mussten.

Die Auftritte dieser ersten drei Bands waren selbstredend sehr gut. Aber auch etwas schlicht. Das fiel vor allem deswegen auf, weil als nächstes niemand geringeres als Heimataerde auf die Bühne kamen. Allein schon ihre Bühnenoutfits sorgten für ein völlig anderes Bild und Schwertbruder Ignatius von Schneeberg brauchte nur minimale Bewegungen, um das Publikum anzuheizen. Ashlar von Megalon haute derweil dem Schlosshof seine kräftige Stimme entgegen. Dass man bei einem Auftritt von Heimataerde immer gut auf sich aufpassen musste zeigte sich, als Ignatius sich eine holde Maid aus dem Publikum aussuchen durfte, die dann auf die Bühne gebracht, auf einem herrschaftlichen Stuhl Platz nahm und sich plötzlich in unmittelbare Nähe zu des Schwertbruders spitzen Zähnen wiederfand. Sie schien aber dann doch nicht vor Angst zu vergehen und auch das Publikum hatte ordentlich Spass an diesem Auftritt.

Wieder etwas schlichter auf der Bühne wurde es dann bei The Beauty of Gemina. Da Michael Sele aber sein Rockprogramm im Gepäck hatte, wurde es nicht wirklich leiser. Mit seiner eindringlichen Stimme, seiner Gestik und Mimik sorgte Michael Sele für eine hervorragende Stimmung vor der Bühne (der Bereich wies mittlerweile auch viele schattige Regionen auf). Nicht nur interagierte er dabei auch noch viel mit seinen Bandmitgliedern, sondern auch mit dem Publikum selbst und gab Hintergrundinfos zu einzelnen Songs.

Wesentlich voller und wieder etwas aufwändiger was die Optik betraf wurde es anschließend mit Tanzwut. Sie begannen ihr Konzert mit dem Dudelsack-Intro von Götterfunken und von da an machten sie ihrem Namen ganze Ehre: sie sorgten für ein tanzendes Volk. Teufel hatte seine Fans voll im Griff, ließ sie singen und tanzen und heizte ihnen ordentlich ein. Nicht nur gesanglich und durch eine fantastische Show, sondern auch durch den intensiven Einsatz der Pyro-Anlage. Das Publikum dankte Tanzwut diesen Einsatz mit diversen Gesangseinlagen und donnerndem Applaus.

Da der Nachmittag eh schon voller Kontraste war, konnte es auch so weiter gehen: wieder etwas schlichter aber keineswegs leiser, legten Evergrey los. Die Schweden um Tom S. Englund begeisterten das Publikum mit ihrem Dark Melodic Metal und ließen die Haare nur so fliegen. So langsam kam auch die Lichtanlage der Bühne besser zur Geltung und dies gab dem Auftritt noch eine besondere Atmosphäre, die der Show der sympathischen Band noch das i-Tüpfelchen aufsetzte.

Da jedes Festival irgendwann einmal zu Ende gehen muss, war es auch beim Castle Rock nun Zeit für den Headliner. Lacuna Coil sollten das Schloss so richtig rocken. Und das taten sie auch. Cristina Scabbia und Andrea Ferro war nicht anzumerken, dass sie in der letzten Woche bereits auf einigen Festivals gespielt hatten: voller Energie legten sie eine 90-minütige Headliner-Show hin, die begeisterte. Gestik, Mimik und jede Bewegung auf der Bühne strotzte vor Power und immer wieder wandte sich Cristina mit ihrer unverkennbaren Stimme an das Publikum, gab Hintergründe zu Songs oder sagte einfach nur, wie viel Spass sie bei der Show mit diesem Publikum hatte. Und auch den Fans gefiel die Performance. Nicht nur war der Schlosshof voll (auch in den noch etwas sonnigen Abschnitten), es wurde auch kräftig mitgesungen. Vor allem bei dem Publikumsliebling „Enjoy the Silence“, dem Depeche Mode Cover. Da muss Cristina nicht lange bitten, damit dieser Song laut mitgesungen wird. Mit Lacuna Coil fand dieses gelungene Festival einen wunderbaren Abschluss.

Allerdings mit einem kleinen Wehrmuts-Tropfen: denn im nächsten Jahr, ausgerechnet zum 20-jährigen Jubiläum kann das Castle Rock nicht in Schloss Broich stattfinden. Bereits an diesem Wochenende war zu sehen, dass Sanierungsarbeiten in Angriff genommen wurden und diese machen Veranstaltungen im Schloss im nächsten Jahr unmöglich. Doch Michael Bohne höchstselbst verkündete, dass dies NICHT das Ende des Castle Rock sei. Auch im nächsten Jahr würde es stattfinden. Nicht im Schloss, aber es würde schon intensiv an einer Out-of-Castle-Version gebastelt werden, so dass man sich mit Ruhe auf das 20. Castle Rock freuen könnte.

Und das tun wir. Denn es ist und bleibt ein ganz besonderes Festival.