Amphi Festival 2018

28. + 29. Juli 2018, Tanzbrunnen, Köln

Am letzten Juliwochenende kleidet sich Köln wieder in Schwarz: Auch in diesem Jahr lockte das Amphi-Festival am Kölner Tanzbrunnen zahlreiche Szenegänger an die Rheinpromenade. Bei höllischen Temperaturen luden Bands wie AND ONE, UNZUCHT und AGONOIZE zu Konzerten, über die man noch lange spricht.

Schon im Voraus sorgte die Hitze auf dem Amphi Festival für einen Wehmutstropfen: Wie schon im vergangenen Jahr herrschte im Rhein derartiges Niedrigwasser, dass das Schiff seinen angestammten Ankerplatz nicht ansteuern konnte. Der neue Standort war derart weit vom Gelände des Tanzbrunnens entfernt, dass, wer alle Acts auf der Hauptbühne oder dem Theater erleben wollte, keine Chance hatte. Sehr schade, schließlich gaben sich auf der schwimmenden Bühne echte Juwelen des Lineups wie GRAUSAME TÖCHTER und JOACHIM WITT die Klinke in die Hand. Aus diesem Grund hielten auch

wir die Stellung auf dem Festivalgelände und beschränkten uns größtenteils auf die Main Stage. Denn schon nach den ersten Bands hatte sich die Qualität der Acts im gesamten Publikum herumgesprochen und die Ordner mussten die Türen zum Theater regelmäßig schließen: Eingangsstopp!

Auf der Hauptbühne begann der Samstag nach [X]-RX mit ordentlich Dampf unter dem Kessel: Die großartigen Kanadier von THE CREEPSHOW heizten dem Publikum mit ihrem Rockabilly/Horrorpunk schon in den ersten Minuten ein, Sängerin Kenda überzeugte nicht nur mit einer grandiosen Gesangsleistung, sondern auch mit einer dynamischen Performance, die schon beim Zuschauen den Schweiß ins Gesicht trieb. Ein besonderes Konzert war das Amphi Festival für die freundliche UNZUCHT: Denn in Köln veröffentlichten die Gothic Rocker ihr neues Album, „Akephalos“. Die Band zeigte sich zu diesem Anlass besonders publikumsnahe, Sänger Daniel „Der Schulle“ Schulz nahm ein Bad in der Menge und präsentierte zusammen mit seinen Jungs die Single „Nela“, die für erstes Eskalieren vor der Bühne sorgte. Doch die Band aus dem hohen Norden war nur eines der zahlreichen Highlights auf der Bühne. Natürlich zeigten sich auch MONO INC gewohnt symphonisch und vor allem stimmgewaltig, auch die Show von ASP war eines Headliners würdig… Doch für DEN Amphi-Moment sorgte am Samstag definitiv OMD. Die Electro-Wave-Band weckte bei zahlreichen Festivalbesuchern Nostalgiegefühle. Ein Hauch Musikgeschichte wehte über das Gelände des Tanzbrunnens, volles Haus und eine jubelnde schwarze Menge: Es sind Bilder, die den Charakter des Festivals in einer Momentaufnahme direkt einfangen. Diese Euphorie trug sich bis in die späten Abendstunden – bis auch der letzte Nachtschwärmer den Tanzbrunnen verließ.

Die Schläfrigkeit, die manche angesichts der wilden Party am Vortag ergriffen hatte, hielt am Sonntag jedoch nicht lange an: ES23, der Opener auf der Mainstage, lieferte mit satten Electrobeats und aggressiven Rhythmen den perfekten Soundtrack zum Wachwerden. Da hatte die nachfolgende HELDMASCHINE mit ihrem stampfenden NDH leichtes Spiel mit dem berauschten Publikum, das sich zu den Klängen bereits auf Betriebstemperatur gebracht hatte.

Doch gleich zwei Konzerte des Sonntags in Köln waren schon kurze Zeit, nachdem die betreffenden Künstler die Bühne verlassen hatten, in aller Munde. Denn Chris L. wäre nicht Chris L., wenn der AGONOIZE-Sänger sich vom Festival das Verspritzen künstlicher Körperflüssigkeiten ohne Protest untersagen lassen würde. So enthüllte er zunächst das T-Shirt „Sorry, No Blood For You!“, das es inzwischen auch käuflich zu erwerben gibt und bat dann die Blutfee auf die Bühne, die im neckischen Ausdruckstanz das Publikum in homöopathischen Dosen mit Blut bespritzte. Selten eine Band gesehen, die Auflagen mit derart viel Humor und Spitzfindigkeit kommentierte – dafür Hut ab!

Da wirkten Dero Goi und seine Jungs mit ihrer Show beinahe farblos dagegen. Natürlich, wie immer zog OOMPH! eine professionelle und dynamische Choreo ab, die das gesamte Amphi-Festival an die Main Stage lockte, doch machte gerade diese Professionalität den Auftritt von OOMPH! bisweilen etwas berechenbar, bis hin zur vorhersehbaren Setliste, welche von Titeln wie „Labyrinth“ bis hin zu „Augen auf“ die Liveklassiker der Gruppe abdeckte.

Der spontane Einfall von AND ONE’s Steve, das Publikum im schelmischen Wechselrufen da statt des üblichen „AND ONE“ „ADOLF“ skandieren zu lassen, stieß hingegen einigen Besuchern des Festivals bitter auf – ist in meinen Augen jedoch eine Eulenspiegel’sche Meisterleistung des Sängers, den Festivalgängern auf bizarre Art und Weise einen Spiegel vorzuhalten… Ein würdiger Headliner mit bizarrem Knalleffekt!

Im nächsten Jahr feiert das Amphi Festival seinen großen Geburtstag: Unter dem Titel „Alles wird Amphi“ findet die 15. Ausgabe der schwarzbunten Szeneveranstaltung vom 20. bis zum 21. Juli 2019 wieder am Tanzbrunnen statt. Für das Jubiläum bestätigten die Veranstalter bereits NITZER EBB – es wird das erste Festival der Band nach acht Jahren Pause werden.